Grundlagen der S-O-S-Methode©

Ziel der S-O-S-Methode ist es, ihre Anwenderinnen und Anwender konkret zu unterstützen, ein Großprojekt erfolgreich aufzusetzen und durchzuführen. Die Methode legt ihren Fokus auf alle wichtigen Schritte und Bausteine, an die bei einem Großprojekt in der öffentlichen Verwaltung gedacht werden muss. Sie baut auf zwei zentralen Bausteinen auf (Projektmanagement-Module, Projekterfolgsfaktoren), die nachfolgend erläutert werden.

In Großprojekten ist immer von unvorhergesehenen Ereignissen, neuen Anforderungen, Planungsänderungen und anderen Änderungen auszugehen. Die Projektleitung muss frühzeitig mögliche Engpässe und Risiken identifizieren und benötigt rechtzeitig die richtigen Informationen. Es gilt, diese sowie den Status des Großprojekts schnell und immer dann, wann erforderlich, ermitteln zu können. Als Kernaufgabe sieht die S-O-S-Methode daher die Statusermittlung an, die weiter unten beschrieben wird.

Zentrale Bausteine der S-O-S-Methode©

Projektmanagement-Module

Projektmanagement von Großprojekten gliedert sich klassischerweise in verschiedene Aufgabenbereiche. Die S-O-S-Methode unterscheidet folgende wichtige Aufgaben- und Handlungsbereiche, die sie als „Projektmanagement-Module“ bezeichnet:

  1. Festlegung und Überprüfung der Projektrahmenbedingungen
  2. Vergabe- und Vertragsmanagement
  3. Festlegung und Überprüfung der Projektorganisation
  4. Personalmanagement
  5. Kommunikationsmanagement
  6. Projektplanung und -controlling
  7. Anforderungs- und Änderungsmanagement
  8. Risikomanagement
  9. Qualitätsmanagement

Die S-O-S-Methode betrachtet ein Projekt und das dazugehörige Projektmanagement ganzheitlich. Sie geht davon aus, dass die Projektleitung und das Projektteam durch gezielte Maßnahmen innerhalb dieser Module auf die drei S-O-S-Dimensionen einwirken (s. Abb. 3) und damit auch die Erfolgsfaktoren positiv beeinflussen (s. Abb. 4).

 

Projektmanagement-Module beeinflussen die S-O-S-Dimensionen Abbildung 3: Projektmanagement-Module beeinflussen die S-O-S-Dimensionen

Die Module und ihre Schnittstellen untereinander werden im Teil II ausführlich vorgestellt.

Projekterfolgsfaktoren

Enormer Umfang, hohe Komplexität, zunehmende Vernetzung, vielfältige Abhängigkeiten und besondere (rechtliche) Rahmenbedingungen – das zeichnet Großprojekte in der öffentlichen Verwaltung aus. Die Projektpraxis hat gezeigt, dass es 13 Faktoren gibt, die in diesem Kontext von besonderer Bedeutung für den Projekterfolg sind.

In der Erstauflage des Handbuchs von 2009 wurden diese Faktoren den drei Dimensionen (S) Strategische Ausrichtung, (O) Organisatorisches Umfeld und (S) Systemunterstützung (seit V 3.0: Systematisches Vorgehen) zugeordnet. Damit hatte der Name „S-O-S-Methode“ seine Geburtsstunde. Der Name bleibt, die bisherige Zuordnung im Handbuch fällt weg - zu Gunsten eines leichter anwendbaren Handbuches. Auf die strikte Zuordnung der Erfolgsfaktoren wurde in der aktuellen Ausgabe verzichtet, da sie nicht nur auf eine der drei Dimensionen, sondern in unterschiedlichem Maße auf mehrere Dimensionen einwirken können.

In der nachfolgenden Abbildung werden die 13 Erfolgsfaktoren aufgelistet.

Dreizehn Erfolgsfaktoren für (Groß-)Projekte Abbildung 4: 13 Faktoren bestimmen den Projekterfolg

Diese Faktoren bilden die Basis für die weiter unten erläuterte Projektstatusermittlung und die Fragen des Projektkompasses.

Projektstatusermittlung als Kernaufgabe

Von großer Bedeutung für die S-O-S-Methode ist die regelmäßige Überprüfung des Status der 13 Erfolgsfaktoren. Ein transparenter Projektüberblick, der zu jedem beliebigen Zeitpunkt möglich ist, stellt eine wichtige Voraussetzung für Risikominimierung und Budgeteinhaltung dar.

Die Statusüberprüfung erfolgt durch die Beantwortung einer Reihe von Prüffragen. Anhand dieser Fragen wird systematisch der Status jedes Projekterfolgsfaktors abgeklärt und dokumentiert. Dadurch werden die konkreten Felder identifiziert, in denen Handlungsbedarf besteht.

An dieser Stelle sei auf das neu entwickelte Werkzeug „Projektkompass“ hingewiesen, das einen solchen schnellen Projektüberblick ermöglicht. Es spiegelt das Projekt an den Anforderungen der Erfolgsfaktoren der S-O-S-Methode und hilft dabei, die konkrete Ausgestaltung eines Projektmanagement-Moduls gegen die vorgeschlagenen Hinweise zu prüfen. Es kann z. B. dazu dienen, die Angemessenheit einer vorhandenen Projektplanung für ein komplexes Großprojekt zu prüfen. Die Resultate werden zusätzlich verdichtet mittels Ampelfarben dargestellt. Diese aggregierte Form dient einem schnellen Überblick, für Details dienen die dahinterliegenden Informationen.

Um einen ersten Überblick und Eindruck zu den Fragen zu geben, sind hier nachfolgend die 13 Erfolgsfaktoren anhand exemplarischer Fragen erläutert.

  1. Klar definierte Projektziele: Sind die Projektziele eindeutig umrissen und formuliert? Sind sie realisierbar? Ermöglichen sie der Projektleitung eine Fokussierung und Priorisierung?
  2. Wohldefinierter Nutzen und Wirtschaftlichkeit: Wurde der Wert bzw. der Nutzen der Lösung identifiziert – quantitativ und/oder qualitativ? Wurden Kosten und quantitative Nutzentreiber finanziell bewertet? Wurden für die qualitativen Nutzentreiber messbare Anspruchsniveaus definiert?
  3. Einbindung der maßgeblichen Stakeholder und Stakeholderinnen: Tragen die maßgeblichen Stakeholderinnen und Stakeholder die Projektziele sowie Nutzen und Wirtschaftlichkeit mit? Verfolgen alle die gleichen Prioritäten? Wenn nicht, sind mögliche Konflikte bekannt und entsprechende Mechanismen zur Konfliktlösung abgestimmt? Gibt es Personen in der obersten Hierarchie, die ein besonderes Interesse am Projekt haben und sich für die Schirmherrschaft verantwortlich fühlen, einen Beitrag zu leisten?
  4. Minimaler, stabiler Projektumfang: Ist der Umfang des Projekts so klein wie möglich, zugleich aber auch so groß wie nötig, um die gesetzten Ziele zu erreichen? Gibt es Prozesse, die dazu beitragen, den Umfang des Projekts in dessen Verlauf stabil zu halten und eine schleichende Ausweitung (sog.scope creep“) zu vermeiden?
  5. Robuste Vertragsgrundlage: Wurden externe Dienstleister einwandfrei und entsprechend der Vergaberichtlinien beauftragt? Sind Rechte und Pflichten der Vertragspartner umfassend und eindeutig definiert? Sind für den Fall von Konflikten Eskalationsprozesse vorgesehen und eingerichtet?
  6. Unterstützung durch Behördenleitung: Ist die oberste Leitung der beteiligten Entität(en) regelmäßig in das Projekt involviert? Trägt sie wichtige Entscheidungen mit? Stellt sie sich vor den Projektleiter, wenn es zu Krisen im Projekt kommt? Steht die oberste Organisationsleitung als Diskussionspartner für die Entscheidungsfindung zur Verfügung?
  7. Kompetente Projektleitung: Verfügt die für die Projektleitung verantwortliche Person über die nötige Kombination aus fachlicher Kompetenz, Erfahrung als Führungskraft, Energie, Hartnäckigkeit und politischem Fingerspitzengefühl? Hat sie im Rahmen der Projektorganisation den nötigen Spielraum und die Entscheidungskompetenz, um ihre Rolle erfolgreich ausfüllen zu können?
  8. Qualifiziertes und motiviertes Projektteam: Sind alle Rollen im Projektteam mit fachlich kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besetzt? Sind sie dem höheren Druck einer Projektsituation gewachsen? Sind sie in der Lage, als überzeugender und gewinnender Botschafter des Projekts aufzutreten?
  9. Ausgewogener Mix aus internen und externen Mitarbeitenden: Sind Schlüsselrollen von nachhaltiger Bedeutung mit internen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besetzt? Wenn nicht, ist ein Transfer dieser Rollen zu Internen geplant? Stimmt das „Klima“ im Projekt, wachsen interne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und externe Dienstleister zu einem Team zusammen?
  10. Einbeziehung der Nutzerinnen und Nutzer: Fließen die profunden Erfahrungen und die i.d.R. umfangreichen Anforderungen der Nutzenden in die Konzeption der Lösungen, Prozesse, Schulungen etc. mit ein? Werden sie rechtzeitig und angemessen auf anstehende Veränderungen vorbereitet?
  11. Verlässliche Schätzungen und Pläne, Mindesttransparenz über Projektstatus: Wurde das Budget lückenlos und zuverlässig geschätzt? Sind geplante Meilensteine erreichbar? Gibt es einen verlässlichen Überblick über die verbrauchten Ressourcen? Sind Restaufwände akkurat geschätzt?
  12. Angemessene Methoden, Verfahren und Werkzeuge: Ist das Vorgehen bei der Entwicklung oder Einführung einer Lösung auf die Ziele und Rahmenbedingungen des Projekts sowie auf die verwendbare oder vorgesehene Technologie abgestimmt? Wurden passende Verfahren für die Qualitätssteuerung definiert und angewendet? Sind die Werkzeuge, etwa zur Projektplanung, angemessen für den Projektumfang und das Qualifikationsniveau der Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter?
  13. Standardisierte, bewährte Technologien (nur relevant für IT-Projekte): Ist die vorgeschlagene Lösung in der Lage, Volumen- und Skalierungsanforderungen des Projekts zu erfüllen? Ist die Lösung flexibel genug, um mit neuen Anforderungen mitzuwachsen? Gibt es Referenzprojekte, die hinsichtlich Größe und Komplexität vergleichbar sind und in denen die vorgesehenen Technologien bereits erfolgreich angewendet wurden?

Phasen und Rollen in der S-O-S-Methode©

Projektphasen

Projekte durchlaufen verschiedene Projektphasen. Die S-O-S-Methode unterteilt Großprojekte in sechs Phasen:

LebenszyklusphaseBeschreibungKernphase
VorphaseEntstehung und Formung des Vorhabens, aus dem letztlich der Bedarf für ein oder mehrere Großprojekte erwächst
ProjektanbahnungFestlegung der Rahmenbedingungen, Projektantrag, Mittelbereitstellung, Projektstart, Genehmigung und Kickoff<--
KonzeptSpezifikation des Projektergebnisses (oft in weitere Phasen für Grob- und Feinkonzept untergliedert)<--
EntwurfFestlegung der Lösung zur Umsetzung der Spezifikation<--
UmsetzungRealisierung, Test bzw. Prüfung, Inbetriebnahme<--
Betrieb & WartungLaufender Betrieb, Weiterentwicklung, Fehlerbehebung<--
Tabelle 1: Lebenszyklus eines Großprojekts

Die vier markierten Phasen (Projektanbahnung, Konzept, Entwurf und Umsetzung) sind die Kernphasen eines jeden (Groß-)Projekts. Die Vorphase und die Betriebsphase sind keine Projektphasen im engeren Sinne, da wesentliche Projekteigenschaften fehlen, weil z. B. (noch) kein inhaltlich festgelegtes Ergebnis und keine festgelegten Endtermine vorliegen. In der Vorphase ist zudem noch nicht klar, wie sich ein in der Diskussion befindliches Thema in ein Projekt fassen lässt. Aufgrund des schwach ausgeprägten Projektcharakters der Vorphase und der Betriebsphase sind die Werkzeuge der S-O-S-Methode für diese beiden Phasen weniger relevant. Ihr Hauptanwendungsgebiet sind die vier Kernphasen eines Großprojekts.

Besonders wichtig ist die Berücksichtigung der S-O-S-Methode bei der Projektanbahnung. Oft werden gerade hier – bei der Festlegung der Rahmenbedingungen und Ausrichtung der Projektziele an den übergeordneten Zielen der Organisationseinheit bzw. an der politischen Agenda – Fehler begangen, die zum Scheitern eines Projekts führen können.

Der Zusammenhang zwischen den S-O-S-DimensionenProjektphasen und Projektmanagement-Modulen ist nachfolgend dargestellt.

S-O-S-Dimensionen und die PM-Module in den Projektphasen Abbildung 5: S-O-S-Dimensionen und die PM-Module in den Projektphasen

Rollen im Projekt

An Großprojekten sind in der Regel viele Personen in unterschiedlichen Rollen beteiligt. In der S-O-S-Methode sind die Rollen folgendermaßen definiert:

  • (Haupt-)Projektsponsoring/Projektauftraggeber, Projektauftraggeberin: Die Person oder Stelle, die Mittel bereitstellt und den Projektauftrag erteilt.
  • Projekteigner, Projekteignerin: Diese Person verantwortet das Projekt als Ganzes während der Projektlaufzeit. Sie verantwortet das Projektbudget während und nach der Projektgenehmigung. Als erste Ansprechperson der Projektleitung bildet sie die Schnittstelle des Projekts zur Organisation.
  • Projektauftragnehmer, Projektauftragnehmerin: Die Stellen/Organisationen, die für die Umsetzung des Projekts verantwortlich sind. Während die Begriffe „Auftragnehmer/Auftragnehmerin“ im Vergabekontext in der Regel ein externes Dienstleistungsunternehmen bezeichnen, können die Begriffe „Projektauftragnehmer/Projektauftragnehmerin“ sowohl interne als auch externe Stellen bezeichnen.
  • Lenkungsausschuss: Entscheidungs- und Kontrollgremium eines Großprojekts, in dem Vertreterinnen und Vertreter von Projektauftraggeber- und Projektauftragnehmerseite sowie wesentliche Stakeholderinnen und Stakeholder sitzen. Ggf. sind weitere Unterausschüsse eingerichtet.
  • Gesamtprojektleiter, Gesamtprojektleiterin: Diese Person trägt die Gesamtverantwortung für Projektergebnisse und Einhaltung der Projektziele (Termine, Qualität, Budget) sowie für die dafür notwendigen Projektmanagementprozesse. Sie berichtet direkt an den Lenkungsausschuss und den oder die Projekteigner, Projekteignerin.
  • Projektmanager, Projektmanagerin: Diese Person verantwortet die Ergebnisse und Einhaltung der Ziele (Termine, Qualität, Budget) innerhalb eines Teilbereichs des Projekts (= mehrere Teilprojekte) und die dafür notwendigen Projektmanagementprozesse. Sie berichtet direkt an die Gesamtprojektleitung.
  • Teilprojektleiterin, Teilprojektleiter: Diese Person verantwortet die Ergebnisse und Einhaltung der Ziele (Termine, Qualität, Budget) innerhalb eines Teilprojekts und die dafür notwendigen Projektmanagementprozesse. Sie berichtet an das Projektmanagement.
  • Fachverantwortliche: Fachverantwortliche sind für ein bestimmtes Themengebiet verantwortlich (z. B. für Risikomanagement, Qualitätsmanagement, Personalmanagement). Fachverantwortlichen-Rollen können parallel auf Gesamtprojektebene und auf Teilprojektebene vorkommen (z. B. Gesamtprojekt-Risikomanagement und Teilprojekt-Risikomanagement). Die S-O-S-Methode benennt nur typische Fachverantwortlichen-Rollen für das Großprojektmanagement. Je nach Projektthemen sind weitere Fachverantwortlichen-Rollen (z. B. IT, Bau) zu definieren.
  • Projektunterstützung: Rolle mit Unterstützungsfunktionen, die für die jeweiligen Fachverantwortlichen die Durchführung standardisierter Regelaufgaben übernimmt. Diese Rollen sind oft im Projektmanagement Office (PMO) angesiedelt.

Rollenbezeichnungen, vor allem für die Führungspositionen Gesamtprojektleitung, Projektmanagement und Teilprojektleitung, variieren häufig. Die Rollenbezeichnungen in diesem Dokument sind daher nur ein Vorschlag und müssen nicht so wie hier beschrieben übernommen werden. Wichtig ist, dass die Rollen im Projekt einheitlich definiert sind und jeder Beteiligte die damit verbundenen Aufgaben und Verantwortungen kennt. Es ist durchaus möglich, dass mehrere Rollen und die damit verbundenen Aufgaben von einer Person ausgefüllt werden. Je größer und komplexer ein Projekt wird, umso schwieriger wird es jedoch, mehrere Rollen in einer Person zu vereinen.

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